10/14/2015

Plot, Premise und dreidimensionale Charaktere - was zuerst?


Die Frage taucht immer wieder auf: die Geschichte entwickeln und dann an den Charakteren arbeiten? Oder umgekehrt? Oder womöglich zuerst ein Thema, eine Aussage, festlegen und dann alles andere in Anlehnung daran erarbeiten?

   Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, welche Art von Geschichte Sie erzählen möchten. Ist es ein Action-lastiger Plot, bei dem ein Superheld seine Heimatstadt vor der völligen Zerstörung durch einen Irren retten muss? oder ist es die Geschichte eines pensionierten Exzentrikers, der sich nach dem Tod seiner Frau auf die Reise zu seiner entfremdeten Tochter macht und dabei sich selbst kennenlernt? Während Sie die erste Story zunächst entwickeln können, ohne Ihre Figuren gut zu kennen, müssen Sie die Charaktere der zweiten Geschichte sehr gut kennen, bevor Sie entscheiden können, wie sich der Plot entwickeln wird.

   Es kommt auch darauf an, was der Ursprung ihrer Geschichte ist, und welche teile in Ihrer Fantasie schon ausgeprägter vorhanden sind. Spukt eine Figur in ihrem Kopf, ein Mensch, der Sie fasziniert und dessen Geschichte Sie erzählen möchten, auch wenn Sie vielleicht noch nicht genau wissen, was Ihrem Protagonisten zustoßen wird? dann werden Sie vermutlich damit anfangen, sich Ihre Figuren zunächst genauer zu erarbeiten und versuchen herauszufinden, wer genau sie sind, was sie umtreibt und wie ihr Leben aussieht. Oder haben Sie eine Kette von Ereignissen vor Augen, ein "Was-wäre-wenn-Szenario", und überlegen sich erst dann, welche Personen Ihre Story vorantreiben werden und warum? Dann "spinnen" Sie wahrscheinlich zunächst den Plot weiter, bevor Sie sich eingehender mit den Figuren beschäftigen.
 
   Vorsicht ist geboten für alle, die mit einem Thema starten. Wer eine Geschichte und ihre Figuren lediglich dazu benutzt, eine politische oder moralische Aussage zu belegen, riskiert, einen blutleeren "Thesenstory" zu schreiben. Geschichten, die einem Konzept oder einer Ideologie untergeordnet sind, wirken konstruiert und schaffen es meist nicht, die Leser emotional in das Geschehen einzubinden. Wenn die "Message" dominiert, sind Handlung und Charaktere meist stark vereinfacht und deshalb wenig glaubwürdig. Leser möchten lieber unterhalten, statt belehrt zu werden. Gegen eine Aussage, die im Subtext subtil mit der Geschichte verwoben ist, oder die der Leser gar aus eigener Schlussfolgerung aus dem Geschehen selbst ableiten kann, ist dagegen nichts einzuwenden.


Verwandte Artikel
[Von der Idee zur Geschichte (Einleitung) ]
[Auf der suche nach einer Anleitung ]
[Subjektives Drama VS. objektives Drama]




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen